Lebensraumaufwertung steht im Zentrum
Unterwegs mit Martin Lutz
Ist Martin Lutz unterwegs, entgeht seinem Auge nichts: Er sieht Mutten, die verkehrt herum liegen, Birk- oder Schneehühner, die sich vom Baulärm scheinbar nicht stören lassen sowie Böschungen und Waldlichtungen, die naturgerechter gestaltet werden könnten. «Lebensraumaufwertung» nennt der studierte Agronom das. Eines seiner grössten Projekte ist die V-Bahn-Baustelle zwischen Grindelwald Grund, Eigergletscher und Männlichen.
Der V-Bahn-Bau der Jungfraubahnen sei speziell – «von der Grösse, den Dimensionen und auch von den Akteuren her, die betroffen sind», erklärt Lutz. Der 64-Jährige ist schon seit 2008 in das Projekt involviert und verfasste gemeinsam mit Partnern den Umweltverträglichkeitsbericht zum Bauprojekt. Seit Januar 2018 ist er zuständig für die Umweltbaubegleitung.
Zu seinen Hauptaufgaben gehören dabei Bauabnahmen, das Verfassen des Umweltbauberichts und die Erfolgskontrolle bei den umgesetzten Ersatzmassnahmen. Dabei schaut er, wie sich die Vegetation entwickelt und wie die «sichtbaren und unsichtbaren» Tiere sich mit den neuen Umständen zurechtfinden.
Beim Aushub Mastenbau wurden Unter- und Oberboden rekultiviert. Die Weide wurde mit entsprechenden Saatgut in den Ursprungszustand versetzt. Der Boden braucht 2 Jahre, bis er wieder stabil ist. Teils kann mit Schafen für kurze Zeit geweidet werden.
Jungfraubahn-Galerie und blaue Piste. Die Böschung wird mit Jutenetzen und Ankern befestigt. Zuerst werden die Mutten angebracht, dann das Netz, das mit der Zeit überwachsen wird.
Oft war er auch schon beim Eigergletscher anzutreffen, um Samen zu sammeln. Es gibt zwar Alpensamenmischungen zu kaufen, doch die enthalten bei Weitem nicht alles, was am Eigergletscher von Natur aus spriesst. «Damit später wieder das wächst, was dort oben heimisch ist, haben wir die Samen zu verschiedenen Zeitpunkten gesammelt, um möglichst die gesamte Bandbreite der vorhandenen Pflanzenarten abzudecken.» Kommt hinzu, dass es lange dauert, bis sich die Natur auf über 2'300 Metern über Meer regeneriert: «Alles wächst langsamer und Mitte August ist hier schon Herbst.»
Martin Lutz prüft mit Christian und Urs Zumbrunn von der Zumbrunn Bau AG die Beschaffenheit und Wuchsstrategie der Blacken.
Martin Lutz hinter der Werkstätte der Jungfraubahn mit einer Oberbodendeponie. Hier hatte die Firma Ghelma AG im Frühsommer angesät. Diesen Sommer müsste die Vegetation nun schon üppiger sein.
Die Pflanzen auf dieser Mutte sind weiss, weil diese falsch herum abgelegt wurde. So konnte kein Licht an die Pflanzen gelangen.
Die Zusammenarbeit mit den Unternehmen, mit den Bauarbeitern vor Ort, aber auch mit den Bergschaften und Bauern bezeichnet Lutz als sehr spannend. «Mein Studium hilft mir natürlich im Gespräch», erklärt der Agronom. Zudem habe in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten bei allen ein Wertewandel stattgefunden, hin zu mehr Umweltbewusstsein. Wichtig in der Zusammenarbeit sei aber auch eine klare Rollenverteilung: «Wie jemand mit seinem Bagger fährt, geht mich nichts an, aber wenn er damit einen Schaden in der Landschaft anrichtet, dann mische ich mich ein.»
Die Leidenschaft des 64-Jährigen für die Natur und die Landschaft ist greifbar. Ganz gleich, wo er sich befindet: Eingriffe in die Landschaft schmerzen ihn. «Mit meinem Engagement und meiner Arbeit kann ich zumindest etwas davon auffangen.» Zugleich sei er kein «Fundamentalist», denn er wisse, dass zum Beispiel Grindelwald ohne Tourismus eine grössere Abwanderung befürchten müsste, die unvorhersehbare Folgen für alle hätte.
So investiert er lieber Zeit in weitere Massnahmen. In Grindelwald Richtung First gebe es Möglichkeiten, für den «Glögglifrösch» – bekannter vielleicht als Geburtshelferkröte – wieder Gebiete zu schaffen, in denen er sich fortpflanzen kann. Dazu müssen Tümpel ausgebaggert werden, in denen sich Wasser sammeln kann. Und danach gilt es zu warten, «denn es kann eine gewisse Zeit dauern, bis die Kröten die Tümpel auch besiedeln», erklärt Lutz und bereitet schon das nächste Gespräch mit den Bergschaften vor, um die Standorte für die Pflanzung der neuen Bergahorne festzulegen.
Martin Lutz im Gespräch mit dem zuständigen Polier, Christoph Schmid von der Ghelma AG, auf der Baustelle Eigergletscher. Der Austausch ist gut, auch dank der Kreativität und der guten Ideen des Poliers.
Dieser Steinhaufen am Waldrand bei Mast 2 kann als Biotop dienen. Was für Menschen wie Unordnung wirken mag, ist wichtig für die Natur.
Mit Tümpeln wie diesem auf der blauen Piste lässt sich Wasser stauen und Erosionen vorbeugen. Die Tümpel dienen zum Beispiel Fröschen, Bergmolchen oder Erdkröten fürs Laichen.
Die Zufahrt zu Mast 7 wird teils mit Mutten begrünt, die überlebt haben, teils wird Gras neu angesät, um Erosion zu verhindern. Da auf über 2’000 Metern alles nur langsam wächst, wird es lange dauern, bis die Rekultivierung erfolgreich beendet sein wird.